Transcript

Johann Philipp Reis, 1834 - 1874 - 1934

(in literature sometimes referred to as: Philip Reisz)

E.N.T. (ENT)

Elektrische Nachrichten-Technik

Heft 1, Januar 1934 Band 11, pages 1-3

 

Am 7. Januar 1934 waren es 100 Jahren verflossen, seit Johann Philipp Reis, der Erfinder des Telephons, in der alten Reichsstadt Gelnhausen als Sohn eines Bäckermeisters geboren wurde. Früh verlor er seine Mutter und bereits als Zehnjähriger auch den Vater. Großmutter und Vormund schickten den Jungen in die Unterrichts- und Erziehungsanstalt von L.F. Garnier zu Friedrichsdorf im Taunus, wo er bis zu seinem vierzehnten Lebensjahre verblieb. Alsdann siedelte er auf das Hasselsche Institut zu Frankfurt (Main) über. Entgegen dem Wunsche seiner Lehrer, aber dem Willen seines Vormundes folgend, trat Reis am 1. März 1850 in das Farbwarengeschäft von Joh. Friedr. Beyerbach in Frankfurt (Main) als Lehrling ein, um sich dem Kaufmannsberufe zu widmen. In seiner freien Zeit beschäftigte er sich, entsprechend seiner Anlage, mit Mathematik und Physik und besuchte die Vorträge des Physikalischen Vereins. Nach Beendung seiner Lehrzeit trat er in eine Privatvorschule für das Polytechnikum ein; im Jahre 1855 genügte er seiner Militärpflicht bei der hessischen Jägern in Kassel; alsdann setzte er seine Studien in Frankfurt (Main) fort. Im Jahre 1858 kam die entscheidende Wendung für sein ferneres Leben. Gelegentlich eines Besuches in Friedrichsdorf (Taunus) bot ihm der Direktor Garnier eine Lehrstelle an seiner Schule an. Reis nahm dieses Angebot an und ist auf diese Weise der Schule seiner Kindheit bis zu seinem Tode treugeblieben. Im gleichen Jahre heiratete er eine Tochter seines Vormundes und siedelte nach Friedrichsdorf übber.

Bald nach Vollendung seines vierzigsten Lebensjahres, in den Nachmittagsstunden des 14. Januar 1874 schloß Johann Philipp Reis für immer die Augen. Er hinterließ seine Frau mit Sohn und Tochter in den bescheidensten Verhältnissen, da er seine ganze Habe für die Erfindung des Telephons eingesetzt hatte. Vier Jahren nach seinem Tode ließ der Physikalische Verein an der letzten Ruhestätte des Erfinders in Friedrichsdorf (Taunus) einem Gedenkstein errichten. 1885 setzte seine Vaterstadt Gelnhausen ihrem großen Sohne ein Denkmal. Erst 1888 wurde der Witwe auf Antrag des Generalpostmeisters H. v. Stephan durch Kaiser Friedrich III ein bescheidenes. jährliches Ruhegehalt gewährt. An seinem 100. Geburtstag erhielt das Institut Garnier den Namen "Philipp-Reis-Schule".

"Ich habe der Welt eine große Erfindung geschenkt. Anderen muß ich es überlassen, sie weiterzuführen", sagte Reis in den letzten Tagen seines Lebens zu Hofrat Garnier, dem Direktor der Schule, an der er tätig war.

Aus diesen Worten des Frühvollendeten geht hervor, daß ihm die weittragende Bedeutung des von ihm erfunden Telephons klar und deutlich vor Augen stand, daß er aber auch erkannte, daß seine schwachen Kräfte nicht mehr in der Lage waren, sie weiterzuführen.

Bereits in 1852 war in Reis der Gedanke der Sprachübermittlung durch elektrischen Strom aufgetaucht. In jener Zeit besuchte er häufig die Vorlesungen des Physikalischen Vereins zu Frankfurt (Main), wo er sich besonders durch die Experimentalvorträge über Physik und Chemie angezogen fühlte. Als Lehrer der Physik in Friedrichsdorf fand er dann Gelegenheit, sich selber zu betätigen; er schrieb selbst hierüber: "Durch meinem Physikunterricht an der Lehranstalt in Friedrichsdorfveranlaßt, griff ich im Jahre 1860 eine schon früher begonnene Arbeit über die Gehörwerkzeuge wieder auf und hatte bald die Freude, meine Mühen durch Erfolg belohnt zu sehen, indem es mir gelang, einen Apparat zu erfinden, durch welchen es möglich wird, die Funktion der Gehörwerkzeuge klar und anschaulich zu machen; mit welchem man aber auch Töne aller Art durch den galvanischen Strom in beliebiger Entfernung reproduzieren kann". Im Jahre 1861 hat er dann diesem Apparat den Namen "Telephon" gegeben. Er führt dazu aus: "Da die Länge des Leitungsdrahtes jedenfalls ebensoweit ausgedehnt werden darf wie bei direkter Telegraphie, so gebe ich meinem Instrument den Namen Telephon".

Beim Bau eines Senders schloß sich Reis aufs engsten der Natur an, indem er seine physikalische Nachbildung des Ohres anfertigte; federende Metallstreifen ersetzten die Gehörknöchelchen. Zum Bau des Empfängers benutzte er die damals schon bekannte "galvanische Musik". Eine Stricknadel wurde mit mehreren Lagen dünnen Drahtes umwickelt und an ihren Enden gelagert, die selbst wiederum auf dem Resonanzkasten einer Violine befestigt waren, den ihm sein Freund der Musiklehrer Peter, überlassen hatte. Das erste Ferngespräch wurde auch zwischen Reis und Peter (1860) geführt. Von dem physikalischen Kabinett der Schule hatte Reis eine Leitung über den Wirtschaftshof zu seiner Wohnung gezogen.

Am 26 Oktober 1861 führte Reis seine Erfindung gelegentlich des üblichen Wochenendvortrags im Physikalischen Verein zu Frankfurt (Main) zum ersten Male öffentlich vor. Im September 1863 wurde sie im Goethehaus zu Frankfurt (Main) dem Kaiser Franz Josef von Österreich und dem König Maximilian von Bayern im Betriebe gezeigt. Am 21. September 1864 zeigte Reis seine Erfindung auf der Naturforscherversammlung in Gießen. Trotz dieser Erfolge muß man leider feststellen, daß Reis seine Erfindung sehr viel gelitten hat und dennoch, wie schon oben erwähnt, von ihrer großen Bedeutung felsenfest überzeugt war. Hierfür ein Beispiel: Im Jahre 1860 bot Reis den "Annalen der Physik und Chemie" (Herausgeber: J. Ch. Poggendorf) eine Abhandlung über seine Erfindung an, die von der Schriftleitung nicht angenommen wurde. Nach der Naturforscherversammlung 1864 wollten aber die Annalen etwas über die Erfindung in ihren Spalten bringen und wandten sich deshalb an Reis! Dieser aber, verärgert und von dem Glauben an die Größe seiner Erfindung beseelt, gab zur Antwort: Ich danke Ihnen recht sehr, Herr Professor, es ist zu spät. Jetzt will ich den Aufsatz nicht schicken. Mein Apparat wird auch ohne Beschreibung in den Annalen bekannt werden"!

Wie wahr diese Worte geworden!

Letzte Ruhestätte von J.Ph. Reis in Friedrichsdorf (Taunus)

Am 100. Geburtstag legten die Oberpostdirektion Frankfurt (Main), die Stadt Friedrichsdorf und das Institut Ganrnier Kränze nieder.

In diesen Tagen, da sein Geburtstag zum 100. Male wiederkehrt und 60 Jahre verflossen sind, seit Reis von uns gegangen seien die schönen Worte wiedergegeben die S.P. Thompson (Silvanus P. Thompson, Philipp Reis, Inventor of the Telephone. London und New York 1883) im Jahre 1885 schrieb: "Die Ehren welche die Welt Philipp Reis vorenthielt während seines Lebens, werden ihm nicht länger vorenthalten jetzt, da er nicht mehr unter uns weilt; denn seine große Seele lebt noch unter uns und bewegt die Welt.

Signed by F.M.(?)

 

Back to: ENT various

Back to: Handbooks papers and product information

Start